Geschichte der SPD in Saalfeld

Ein Auszug

1865
Gründung eines Arbeiterbildungsvereins in Saalfeld durch den damals noch unter linksliberaler Führung stehenden Verband der deutschen Arbeitervereine (VDAV).

1869
Aus den Reihen des Saalfelder Arbeiterbildungsvereins konstituiert sich am 21. Februar die Saalfelder Gewerksgenossenschaft im Schützenhaus am Weidig. Mit der Annahme des von August Bebel verfassten Musterstatutes für Gewerksgenossenschaften gründet sich hiermit die erste sozialdemokratische Organisation in Saalfeld.

Der Tabakarbeiter Wilhelm Salmann vertritt vom 7. bis 9. August 1869 die Saalfelder Ortsgruppe auf dem Gründungskongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) in Eisenach. Seit dem ist eine sozialdemokratische Parteiarbeit in Saalfeld nachgewiesen. Schon im Dezember berichten die Akten des Saalfelder Landrates über „Arbeiteragitation Eisenacher Richtung“.

1874
Mit dem Redakteur Johann Joseph Most kandidiert im Raum Saalfeld erstmalig ein Sozialdemokrat für die Wahl des Reichstages. Er erhält in der Stadt rund 20 Prozent der Stimmen.

1875
Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) vereinigt sich mit dem von Ferdinand Lassalle gegründeten Allgemeinen Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) vom 22. bis 27. Mai in Gotha.

1878
Im Mai und Juni werden auf den Kaiser Attentate verübt. Konservative und Nationalliberale schieben hierfür die Verantwortung der Sozialdemokratie die Schuld in die Schuhe. Das sogenannte „Sozialistengesetz“ tritt im Oktober in Kraft und verbietet jegliche politische oder gewerkschaftliche Betätigung der Sozialdemokraten. Das Gesetz bleibt bis 1890 wirksam.

1883
Die illegale Zusammenkunft Thüringer Sozialdemokraten am 23. Mai auf der Wachsenburg bei Arnstadt leitete eine Phase der Reorganisierung der Thüringer Sozialdemokratie ein.

1887
In Saalfeld findet der erste Lohnstreik statt. Die Arbeiter der „Bielefelder Nähmaischinenfabrik“ legen die Arbeit Aufgrund drastischer Lohnkürzungen nieder.

1889
Im Gasthaus „Preußischer Hof“ (heute Pressehaus der OTZ) gründet sich der Arbeiterwahlverein. Ziel des Vereins ist die Unterstützung sozialdemokratischer Kandidaten in Wahlkämpfen. Die liberale Auslegung des „Sozialistengesetzes“ der Regierung des Herzogtums Sachsen-Meiningens ermöglichte diese Organisationsformen der Arbeiterschaft.

1890
Noch während des „Sozialistengesetzes“ erscheint ab dem 2.April für Saalfeld und Umgebung eine sozialdemokratische Zeitung, das „Saalfelder Volksblatt“. Das Volksblatt wird von den späteren Land- und Reichstagsabgeortneten Arthur Hofmann herausgegeben und ab 1896 in einem Neubau in der Rosmaringasse gedruckt (heute Druckerei Kurt Ost, SPD Regionalgeschäftsstelle). Arthur Hofmann gehörte zu den herausragenden Thüringer Sozialdemokraten. Der Landrat von Saalfeld bezeichnete ihn als den „gescheitesten der Sozialdemokraten im II. Wahlkreis, aber auch den gefährlichsten“.

Auf dem Parteitag am in Halle beschließt die bisherige Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) sich fortan Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zu nennen.

1891
Paul Reißhaus gewinnt am 19. Februar das Mandat im Wahlkreis Sonneberg-Saalfeld zur Reichstagswahl. Bis zum Ende des Kaiserreichs erhält die SPD bei Wahlen in Saalfeld im Durchschnitt um die 60 Prozent der Wählerstimmen.

Zur ersten Maidemonstration finden sich am 3. Mai trotz Verbotes ca. 600 Arbeiter ein um zum Weidig zu demonstrieren. Die mitgetragenen Transparente tragen Aufschriften wie „Fort mit dem Elend“, „Fort mit der Arbeitslosigkeit“, „8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Erholung, 8 Stunden Schlaf“, „Proletarier seit einig“

1892
Arthur Hofmann zieht als erster Sozialdemokrat in den Saalfelder Gemeinderat ein.

1898
August Bebel spricht am 20. Mai auf einer Volksversammlung im Saal des Hotels „Zapfe“ zur Saalfelder Bevölkerung.

1906
Das ganze Jahr über kommt es zu Wellen von Massenstreiks in Saalfelder Industriebetrieben. Ziel der streikenden Arbeiter sind Lohnerhöhungen, Reduzierungen der Arbeitszeit und Aufhebung hygienischer Missstände. Weitere Streikwellen und Aussperrungen häufen sich massiv in den Folgejahren. Für die SPD sind die Streiks legitime Kampfmittel zur Sicherung demokratischer Rechte in der Industrie, sie unterstützt die Forderungen der Arbeiter sie tritt aber auch moderierend und schlichtend auf.

1908
Der Parteitag der Landesorganisation der SPD in Sachsen-Meiningen weiht am 4. Juli das Saalfelder Gewerkschaftshaus „Bürgerbräu“ (heute Jugendklubhaus) ein.

1914-1917
„Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich“ dieses Zitat ausgesprochen von den späteren Kriegsgegner und Pazifisten Hugo Haase galt auch für die Saalfelder Sozialdemokraten am Beginn des ersten Weltkrieges. Wichtiger war den Sozialdemokraten die Zusammenarbeit mit den Gerwerkschaften in der „Kriegshilfe-Kommision“, hier ging es um die Fürsorge für Kriegsopfer und Hinterbliebene zudem galt es die Nahrungsversorgung für die Bevölkerung sicherzustellen.
Ab 1916 setzte auch in der örtlichen Sozialdemokratie eine kritische Auseinandersetzung über die Kriegsfrage ein. Besonders aus der Arbeiterjugend regte sich starker Widerstand gegen den Krieg. Die Verschlechterung der sozialen Lage führte bei vielen zu Aktionismus und Tatendrang 1917 demonstrierten fast 500 Jungarbeiter gegen Krieg und Hunger durch die Stadt.

1918
Nach einer Unterredung mit dem Arbeiter- und Soldatenrat Meiningens am 10. November dankt der Großherzog ab. Die Republik Sachsen-Meiningen wird ausgerufen. Auch in Saalfeld bildet sich ein Arbeiter- und Soldatenrat der die bestehende Verwaltung intakt belässt und sich lediglich auf organisatorische Fragen beschränkt. Am 11. November versammeln sich auf dem Saalfelder Marktplatz rund 6000 Menschen zu einer Großkundgebung auf der Arthur Hofmann über die Bedeutung der Revolution für das zukünftige Deutschland spricht.

1919
Am 5. Januar spalten sich in einer Versammlung im „Bürgerbräu“ rund 200 Sozialdemokraten von der SPD ab und gründen die Saalfelder Ortsgruppe der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) aus ihren Reihen wird sich später die Ortsgruppe der Kommunistischen Partei (KPD) gründen.

Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung erhält die SPD über 60% der Stimmen in Saalfeld. In den Wahlen zum ersten Landtag der Republik Sachsen-Meiningen erhält die SPD in der Stadt über 50% der Stimmen. In Meiningen bildet sich eine Koalition aus SPD und linksliberaler DDP.

1920
Aufgrund des rechtsradikalen Kapp-Putsches gründet sich in Saalfeld am 14. März ein „Aktionsausschuss der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenschaft“ der von SPD, USPD, KPD und Gewerkschaften getragen wird. Der Ausschuss ruft für den nächsten Tag zum Generalstreik auf dieser dauert bis zum 21. März.

Am 1. Mai schließen sich die Thüringer Kleinstaaten zum Freistaat Thüringen zusammen. Im Landtag in Weimar bildet die SPD in Fraktionsgemeinschaft mit der USPD und der DDP die Regierung.

1921
Die Parteien SPD, USPD und KPD veranstalten anlässlich des Mordanschlags auf den Reichsfinanzminister am 31. August eine Protestkundgebung gegen die rechtsradikale Gefahr.

Am 7. Oktober bildet sich eine Minderheitsregierung unter August Fröhlich (SPD) die von der KPD toleriert wird. Am 16. Oktober 1923 treten die Kommunisten der Regierung bei.

1922
Anlässlich der Ermordung der Außenministers Walter Rathenau versammeln sich mehrere tausend Menschen am 5. Juli sich zur Großdemonstration unter der Losung „Zum Schutz der Republik“ die von der SPD den Gewerkschaften USPD und KPD getragen wird.

1923
Die gebildete eine Koalitionsregierung aus SPD und KPD wird durch den Einsatz der Reichwehr aufgelöst (Reichsexekution). Auch Saalfeld wird von der Reichswehr besetzt. Es kommt zu Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung. Das „Volksblatt“ wird zeitweilig verboten.

1924
In Saalfeld wird die Ortsgruppe des der SPD nahe stehenden „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ gegründet dessen Aufgabe es vorrangig ist SPD Veranstaltungen Schutz zu stellen.

1926
SPD, KPD, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, und Gewerkschaften führen das Volksbegehren zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten durch.

1931
Die Druckerei und der Verlag von Arthur Hofmann gehen durch Verkauf an die SPD über.

Im Oktober kommt es zu heftigen Kontroversen innerhalb der Saalfelder SPD die zum Übertritt einiger Mitglieder zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) beziehungsweise zur KPD führen.

1932
Demonstranten der KPD sowie der Nationalsozialisten geraten am 12. März in der Langen Gasse gewaltsam aufeinander „Schlacht in der Langen Gasse“. Während des gesamten Jahres gibt es immer wieder schwere Auseinandersetzungen der politischen Lager.

Bei denen am 31. Juli stattgefundenen Landtagswahlen werden die Nationalsozialisten die stärkste Partei, sie stellen von nun an die Regierung.

1933
Am Tag der Ernennung Hitlers zum Kanzler (31. Januar) demonstrieren trotz Verbotes rund 600 Menschen gegen Faschismus durch die Stadt.
Die letzte Protestkundgebung gegen die Machtergreifung der Nazis findet am 25. Februar statt. Jokel Cramer, der Chefredakteur des „Volksblattes“, beendete seine Rede mit den eindringlichen Worten „Ihr werdet erst wissen, was die Freiheit bedeutet, wenn ihr sie verloren habt.“
In der Folgezeit werden die Organisationen und Parteien der Arbeiterschaft verboten. Ihre Vertreter in Schutzhaft genommen und ins Konzentrationslager geschafft.
Die KPD wird ab dem 28. Februar in die Illegalität getrieben, am 6. März wird das „Volksblatt“ verboten, mit dem Verbot des Arbeiterturnvereins „Freie Turner“ beginnt die systematische Ausschaltung linksorientierter Vereine, am 2. Mai werden die Gewerkschaften verboten ihr Besitz beschlagnahmt , am 16. Mai wird das Vermögen der SPD Ortsgruppe sowie die Druckerei und der Verlag des „Volksblattes“ enteignet.

Der Widerstand gegen den nationalsozialistischen Staat beschränkte sich unter den Sozialdemokraten vorerst auf den Rückzug ins innere Exil, auf den kleineren Bekanntenkreis unter den Genossen auf die man vertrauen konnte. Das Haus der Kreutzers in der Langen Gasse entwickelte sich während der Zeit des Nationalsozialismuses als illegaler Treffpunkt der Saalfelder Sozialdemokraten. Ab Ende der 30iger Jahre gab es auch über Mittelsmänner Verbindungen zur SoPaDe, der SPD-Organisation im Exil. Es galt hier in erster Linie überregionale Kontakte aufzubauen. So stand die Saalfelder Gruppe der Sozialdemokraten in Kontakt mit Gruppen in Arnstadt, Eisenach, Erfurt und Jena. Später gesellten sich zur Gruppe der Saalfelder Sozialdemokraten auch kritische Kommunisten und der katholische Pfarrer Link aus Saalfeld. Die eher informellen Kontakte, auch zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, sollten eine gute Grundlage für eine spätere Zusammenarbeit kurz nach Kriegsende sein.

1945
Am 13. April wird Saalfeld von der US-Army befreit. Zur Übernahme wichtiger Verwaltungsämter setzen die Amerikaner die Sozialdemokraten Moritz Luther als stellvertretenden Landrat, Paul Kreutzer als Beigeordneter und Hermann Kreutzer als Leiter des Ernährungsamtes ein.

Die Neugründung der SPD kam bei den Saalfelder Sozialdemokraten vorerst nicht in betracht. Vielmehr suchte man eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Grundlage der Diskussion war das von Hermann Brill entworfene „Buchenwalder Manifest“ und das Konzept des „Bundes demokratischer Sozialisten“ das in eine neue Partei münden sollte, die den Zwist zwischen SPD und KPD der Weimarer Zeit überwindet. Diese Zusammenarbeit mit den Kommunisten ging solang gut bis diese von der Parteileitung in Berlin zurück gerufen wurden und die Gründung der KPD vorbereiten sollten.

Der Wechsel der Besatzungsmacht am 1. Juli läutete auch einen grundlegenden Änderung der politischen Kultur ein. Die Parteien sollten sich so gründen wie es die Besatzungsmacht vorschrieb. An die Idee des „Bundes demokratischer Sozialisten“ war nicht mehr zu denken.

Am 14. Juli gründet sich die Saalfelder SPD in der Gaststätte das „Loch“ neu. Vorsitzender wurde der von der Besatzungsmacht eingesetzte Bürgermeister Paul Möbus, Stellvertreter wurde Paul Kreutzer und Walter Kaack. Die SPD wurde in der Folgezeit für viele Menschen zu einer bedeutenden politischen Hoffnungskraft. Ihre Mitgliederzahl erreichte in Saalfeld allein an die 800 Mitglieder.

Ab November verschärften sich die Spannungen zwischen SPD und KPD zusehens. Von der Seite der kommunistischen Führung wurde eine Kampagne zur Herstellung einer Einheitspartei forciert die keine Rücksicht auf eine offene Diskussion auf Augenhöhe zuließ.
Die Saalfelder Ortsgruppe der SPD entscheidet sich knapp für eine Vereinigung mit der KPD. Sozialdemokratische Politik erhoffte man durch die größere Mitgliedschaft und das bessere Funktionärspotential auch in der neuen Partei durchzusetzen.

1946
Am 10. April gründet sich in Saalfeld aus SPD und KPD die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED).

Ab Mai knüpften Saalfelder Sozialdemokraten Kontakte nach Erfurt von wo aus ein verdecktes Netz ehemaliger Sozialdemokraten in der SED für Thüringen aufgebaut wurde. Die Saalfelder Gruppe, um Hermann und Paul Kreutzer, arbeitete darüber hinaus mit Sozialdemokraten in Rudolstadt und Arnstadt zusammen. Zur SPD in Berlin-West wurden Verbindungen aufgebaut.

1947
Die SED wandelt sich mehr und mehr zu einer kommunistischen und stalinistisch geprägten „Partei neuen Typs“. Viele ehemalige Sozialdemokraten werden aus Funktionen gedrängt oder treten aus der Partei aus. Alle ehemaligen Saalfelder Sozialdemokraten verlassen in diesem Jahr den Kreisvorstand der SED (Karl Linke, Moritz Luther, Erich Thiele, Paul und Hermann Kreutzer).

1949
Mitte Februar wird der Großteil der Rudolstädter Gruppe der freiheitlichen Sozialdemokraten verhaftet. Unter ihnen Gustav Hartmann, der Bürgermeister von Rudolstadt.
Am 4. April werden die führenden Saalfelder Sozialdemokraten verhaftet (Paul und Hermann Kreutzer, Dorothee Fischer, Karl Linke, Moritz Luther und Ewald Kaufmann).

1953
Bei dem Arbeiteraufstand am 17. Juni flammten unter den Arbeitern an vielen Stellen in der DDR neben den Forderungen nach freien Wahlen und Wiedervereinigung auch die Ideale einer freien Sozialdemokratie auf.

Der Gorndorfer Manfred Schäfer, damals ein 15jähriger Schüler, berichtet in seinen Erinnerungen: „Ich erklärte mich bereit, mit meinem Fahrrad der zu erwartenden Kolonne entgegenzufahren. (…) Mit dem Rad war ich schnell wieder im Dorf und konnte Bericht erstatten. Besonders erstaunt war ich darüber, wie der Bürgermeister [Otto Gabel (SED), ein ehemaliger Sozialdemokrat] und ein für staatliche Auftraggeber arbeitender Kunstmaler freudig begeistert meinen Worten lauschten. (…) Dann endlich kamen die Stahlarbeiter und zogen mit lauten Sprechchören, die sich besonders gegen Walter Ulbricht richteten, durch den Ort weiter in Richtung Saalfeld.“
Auf der Bahnhofsbrücke stoppte die sowjetische Armee den Protestzug der Arbeiter mit Maschinengewehren und aufgepflanzten Bajonett.

 

Suchen